via fordert GDP-Pflicht. Dass der Versand von Arzneimitteln insbesondere bei extremen Temperaturen risikobehaftet ist, ist inzwischen auch im Berliner Regierungsviertel angekommen. Der Verband innovativer Apotheken fordert die Politik jetzt auf, Nägel mit Köpfen zu machen und die Vorschriften für den Medikamentenversand deutlich zu verschärfen.

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DAZ-online, 29.07.2025, Hitze, Frost und starke Temperaturschwankungen sind erhebliche Risiken für die Stabilität von Arzneimitteln. Nicht ohne Grund gelten in Deutschland strenge Vorschriften für die Lagerung von Medikamenten – auch während des Transports. Der Verband innovativer Apotheken (via) nimmt jetzt die Politik in die Pflicht, mit der anstehenden Apothekenreform Regelungen zu schaffen, die Patientinnen und Patienten auch dann schützen, wenn sie ihre Medikation bei DocMorris oder Shop Apotheke bestellen.

„Nicht einmal für ein Kilo Butter akzeptabel“

„Arzneimittel sind kein Versandgut wie Bücher oder T-Shirts“, sagt der via-Vorstandsvorsitzende Benedikt Bühler. „Sie sind temperaturempfindlich, sicherheitsrelevant und für viele Patienten lebensnotwendig. Trotzdem werden sie heute vielfach unter Bedingungen transportiert, die nicht einmal für ein Kilo Butter akzeptabel wären.“

Eine Testreihe habe gezeigt, dass im Sommer in Lieferfahrzeugen schon innerhalb weniger Stunden Temperaturen von mehr als 50 °C erreicht werden. Im Winter hingegen fallen die Temperaturen regelmäßig unter den Gefrierpunkt. „Es ist vollkommen klar: Ein solcher Versandweg erfüllt keine GDP-Standards“, betont Bühler.

Speziallösungen werden kaum genutzt

via weist darauf hin, dass zwar spezialisierte Lösungen wie „DHL Medical Express“ existieren, die mit aktiver Temperaturführung und Zustellung am nächsten Werktag werben. Sie würden jedoch kaum genutzt. Denn sie seien teuer, aufwendig zu buchen, logistisch anspruchsvoll und damit für den Massenversand von Medikamenten wirtschaftlich nicht vorgesehen. „Die Realität: Der Großteil aller Arzneimittel wird über Standardpaketdienste verschickt – unkontrolliert, ohne Sensortechnik, ohne Verpflichtung zur durchgängigen Temperaturüberwachung. Das ist eine Gefahr für die Qualität der Versorgung“, warnt der via-Chef.

Zudem pickten sich die großen EU-Versender gezielt die lukrativsten Rosinen aus dem System, schreibt der Verband. „Hochpreisige Medikamente, Chemotherapien, kühlpflichtige Präparate? Fehlanzeige. Komplexe Rezepturen oder Notfallbelieferung? Gibt’s nicht. Stattdessen konzentrieren sie sich auf ertragsstarke, einfach zu versendende Rx-Arzneimittel und Sonderangebote im OTC-Bereich.“

Versand gräbt Apotheken das Wasser ab

Damit zerstörten die Versandhändler das wirtschaftliche Fundament der Vor-Ort-Apotheken. „Denn diese stemmen nicht nur die Grundversorgung, sondern auch Nachtdienste, Rezepturen, Pflegeheime, Medikationsanalysen – oft querfinanziert über genau die Segmente, die Versandapotheken sich systematisch einverleiben.“ Im Jahr 2025 drohe auch deshalb ein historischer Rückgang inhabergeführter Apotheken. „Nicht, weil die Apotheken schlechter arbeiten, sondern weil sie unter unfairen Bedingungen konkurrieren müssen.“
Um die eigene Position zu untermauern, zitiert via zwei Urteile des Amtsgerichts Weinheim (Az. 2 C 208/21 und 1 C 34/22). Diese zeigten deutlich: Wer Arzneimittel ohne Vereinbarung einfach im Garten ablegt, wie geschehen für drei bzw. zehn Tage, verstößt nicht nur gegen jede Sorgfaltspflicht, sondern gegen geltendes Recht. „Die Richter stellen klar: GDP gilt auch für Apothekenlieferungen an den Patienten. Eine solche Zustellung gilt juristisch nicht als Lieferung. Sie ist leichtfertig, führt zum Haftungsfall und bei möglicher Manipulation zum wirtschaftlichen Totalschaden des Medikaments.“

„Medikamente gehören nicht auf die Terrasse“

Der Verband pocht nun auf eine Pflicht zum Versand nach den Grundsätzen der Good Distribution Practice (GDP), um Patientinnen und Patienten vor qualitätsgeminderten Arzneien zu schützen. „Wer sich die profitablen Teile der Versorgung sichern will, muss auch Verantwortung übernehmen und nachweislich GDP-konform liefern. Nicht punktuell, nicht im Werbeflyer, sondern konsequent, lückenlos, messbar. Und solange das nicht gegeben ist, gilt: Medikamente gehören nicht ins unklimatisierte Paketdepot. Nicht auf die Terrasse. Nicht ins Risiko.“

Deutsche Apotheker Zeitung
Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW)